Der Anfang des Gedichtes „Patmos“ von Friedrich Hölderlin hat uns, die Gruppe des Hagener Forums Nachhaltigkeit (HFN), durch unsere gemeinsame Reise begleitet. Mit den Worten „Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ öffnete Hölderlin einen tiefen, nachdenklichen Raum, der uns auf dem Weg nach Köln und Tübingen stets präsent war.
In einer symbolischen Geste überquerten wir, ganz im Sinne von „leicht gebauten Brücken“, die Deutzer Brücke zu Fuß, eine kleine, aber bedeutsame Erfahrung. Erstaunlich, wie sehr Hölderlins Worte auch in der Gegenwart Bedeutung finden. Es war eine Reise der Verbindung – sowohl zwischen Menschen als auch zwischen Zeiten.
Am Grabmal von Friedrich Hölderlin – Vergangenheit trifft Gegenwart
In Tübingen, am Grabmal des großen Dichters, schien die Vergangenheit plötzlich lebendig zu werden und mit der Gegenwart zu verschmelzen. Der alte Friedhof, auf dem zahlreiche historische Persönlichkeiten ruhen, bot einen Ort der Stille und Reflektion. Vor unserem geistigen Auge tauchte plötzlich Carlo Schmid auf, einer der Väter des Grundgesetzes, wie er am Rednerpult des alten Bundestages in Bonn steht. Seine kraftvolle Rhetorik bleibt unvergessen. Doch es war Walter Jens, der mit seiner Eröffnungsrede beim IPPNW-Kongress 1984 und den Worten „Die Höhe des möglichen Falls bestimmt die Größe eines Menschen“ die Zuhörer tief bewegte. Das Grabmal von Hans Küng, einem der bedeutendsten Theologen unserer Zeit, ist ein Mahnmal der Hoffnung auf eine friedliche Welt. Es steht als eindringliche Erinnerung daran, dass dieser Wunsch niemals in Vergessenheit geraten darf.
Die Hoffnung auf eine friedliche Welt – Hans Küng und das Projekt Weltethos
Einen halben Tag verbrachten wir mit Dr. Stephan Schlensog, dem langjährigen Begleiter und Sekretär von Hans Küngs, um die Entwicklung der Idee des „Weltethos“ zu verstehen.
Das Weltethos, das von vier Grundüberzeugungen getragen wird, hat uns tief beeindruckt und wurde in das Leitbild des Hagener Forums Nachhaltigkeit aufgenommen:
- Kein Friede unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen.
- Kein Friede unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.
- Kein Dialog zwischen den Religionen ohne globale ethische Standards.
- Kein Überleben unseres Globus ohne ein globales Ethos.
Gerade in einer Zeit, in der die Schreie nach Frieden und Verständigung lauter werden, ist diese Arbeit von unschätzbarem Wert. Der Libanon-Konflikt war in diesen Tagen in den Schlagzeilen, doch die Diskussion über Frieden und Ethik bleibt allgegenwärtig. „Miteinander leben lernen“ bedeutet nicht nur nebeneinander zu existieren, sondern vor allem miteinander zu reden. Das sollten auch wir vermehrt tun.
Tübingen – eine Stadt im Wandel
Trotz des Regens zeigte sich Tübingen als eine imposante Stadt, die in ihrer historischen Architektur und ihrem urbanen Charme beeindruckt. Die Innenstadt, die nur zu Fuß erkundet werden kann, bietet mit der Neckarinsel, der Platanenallee und dem Seufzerwäldchen der Liebespaare eine einzigartige Atmosphäre. Die schwäbische Küche, mit köstlichen Maultaschen und Pflaumenkuchen, trug ihren Teil dazu bei, dass wir uns in dieser Stadt wohl fühlten.
Das Rathaus von Tübingen demonstrierte eindrucksvoll, wie energisch die Stadt die Energiewende vorantreibt – „Tübingen macht blau“ lautet das Motto. Dr. Eck, unser sachkundiger Führer, schilderte uns die Herausforderungen, vor denen die Stadt steht, besonders im Bereich der Verkehrswende. Die Universität und die Unikliniken, die täglich Tausende von Menschen in die Stadt und wieder hinaus bewegen müssen, stehen dabei im Zentrum der Diskussion. Ein Volksentscheid gegen den Bau einer Stadtbahn verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser großen Aufgabe.
Dank und Ausblick
Am Ende dieser bewegenden Reise bleibt vor allem eines: tiefe Dankbarkeit und zahlreiche Eindrücke aus Tübingen, die uns sicher noch lange begleiten werden.
Das Gedicht „Patmos“ von Friedrich Hölderlin schloss uns den Kreis: „So gib unschuldig Wasser, o Fittige gib uns, treuesten Sinns hinüber zu gehen und wieder zu kehren“. Diese Reise war ein solches Hinübergehen – und wir kehren gestärkt zurück, bereit, weiter Brücken zu bauen.
Dr. Christian Kingreen